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FAQ Hinweisgeberschutzgesetz

Nach zähem politischen Ringen ist das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) zur Umsetzung der sogenannten Whistleblowing-Richtlinie (EU) 2019/1937 mit Wirkung zum 02. Juli 2023 (endlich) in Kraft getreten.

Hier beantworten wir Ihnen die wichtigsten Fragen rund um den Schutz von Whistleblowern und was Unternehmen bei Umsetzung der Vorgaben zu beachten haben.

Welche Arbeitgeber werden erfasst und ab wann?

Das HinSchG erstreckt sich auf sämtliche privat- und öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber. Zur Einrichtung interner Meldestellen sind aber nur Arbeitgeber mit i.d.R. mindestens 50 Beschäftigten verpflichtet. Arbeitgeber mit i.d.R. 50 bis 249 Beschäftigten haben zudem noch bis zum 17. Dezember 2023 Zeit, interne Meldestellen einzurichten.

Wer profitiert vom Whistleblower-Schutz?

Der persönliche Anwendungs- und Schutzbereich des HinSchG ist weit gefasst und bezieht sämtliche Personen ein, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über (potentielle) Verstöße erlangt haben. Geschützt sind damit insbesondere Arbeitnehmer und Beamte (einschließlich Richtern und Soldaten), aber auch Organmitglieder (Vorstände, Geschäftsführer), Auszubildende und arbeitnehmerähnliche Personen. Der Schutz umfasst zudem auch Anteilseigner und Unternehmensexterne wie Selbstständige sowie Mitarbeitende von Lieferanten. 

Was ist der Kern der neuen Whistleblower-Rechte?

Unter Abkehr von den bisherigen Spielregeln brauchen sich Whistleblower nunmehr nicht vorab an den Arbeitgeber zu wenden, wenn sie einen Regelverstoß entdeckt haben (sog. interne Meldung), sondern dürfen direkt die zuständige Behörde einschalten (sog. externe Meldung). Dies garantiert das gesetzlich verankerte freie Wahlrecht zwischen beiderlei Berichtswegen.

Arbeitgeber "sollen" aber Anreize dafür schaffen, dass sich Whistleblower vor einer Meldung an eine externe Meldestelle zunächst an die interne Meldestelle wenden, ohne dabei allerdings die Möglichkeit einer externen Meldung zu beschränken oder zu erschweren. Ob als solcher Anreiz bereits eine attraktive Gestaltung der internen Meldekanäle genügen kann, muss sich in der Praxis zeigen.

Welche Rechtsverstöße dürfen gemeldet werden?

Der Katalog der meldefähigen Verstöße des HinSchG geht über die Mindestvorgaben der EU-Richtlinie hinaus. Neben Verstößen, die strafbewehrt sind, erstreckt sich dieser auch auf bußgeldbewehrte Verstöße, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib, Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane (wie u.a. dem Betriebsrat) dient; Anwendungsfall ist hier beispielsweise das Feld von Arbeits- und Gesundheitsschutz. Ferner werden auch Verstöße gegen solche Vorschriften einbezogen, die europäische Regelungen und Vorgaben in nationales Recht umsetzen, und im HinSchG als solche aufgezählt werden.

Welche organisatorischen Anforderungen werden an die Arbeitgeber gestellt?

Arbeitgeber mit i.d.R. mindestens 50 Beschäftigten müssen interne Meldestellen einrichten, an die sich die Beschäftigten zur Meldung von Verstößen wenden können. Für bestimmte Unternehmen, etwa Wertpapierhandelsgesellschaften oder Kreditinstitute, gilt diese Mindestschwelle von 50 Beschäftigten nicht. Haben Arbeitgeber i.d.R. nicht mehr als 249 Beschäftigte, müssen solche internen Meldestellen nicht vor dem 17. Dezember 2023 eingerichtet werden. 

Die interne Meldestelle muss dem Whistleblower u.a. binnen sieben Tagen den Eingang der Meldung bestätigen und ihn spätestens nach drei Monaten darüber informieren, welche Folgemaßnahmen sie getroffen hat. Als Folgemaßnahmen kommen dabei insbesondere die Einleitung interner Untersuchungen, die Abgabe an die zuständige Behörde oder die Einstellung der Angelegenheit aus Mangel an Beweisen in Betracht.

Wo sind die internen Meldestellen einzurichten?

Die interne Meldestelle kann beim Arbeitgeber selbst eingerichtet werden. Zudem können aber auch unternehmensexterne Dritte entsprechend betraut werden. Außerdem greifen Erleichterungen für Arbeitgeber mit i.d.R. nicht mehr als 249 Beschäftigten. Diese können eine gemeinsame interne Meldestelle betreiben bzw. gemeinsam einen externen Dritten beauftragen. Wichtig hierbei ist, dass die Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen, um den Verstoß abzustellen, und die Pflicht zur Rückmeldung an die hinweisgebende Person bei dem einzelnen Beschäftigungsgeber verbleiben und nicht wegdelegiert werden können.

Insbesondere für kleinere Unternehmen, die den Schwellenwert von 249 Beschäftigten (bzw. 50 Beschäftigten ab dem 17. Dezember 2023) gerade überschreiten, aber auch für mittelständische Unternehmen sowie deutsche Tochtergesellschaften internationaler Konzerne kann es sich dabei anbieten, die interne Meldestelle outzusourcen. Wir kooperieren hierzu mit NAVEX WhistleB, und unterstützen Unternehmen bei diesem Schritt u.a. mit einem attraktiven Tool sowie selbstverständlich auch bei allen weiteren und notwendigen Schritten der Whistleblowing-Compliance – sprechen Sie uns gerne an.

Kann eine konzernweite Meldestelle eingerichtet werden?

Das HinSchG will Unternehmen ausdrücklich ermöglichen, auf im Konzernverbund bereits vorhandene, zentrale Ressourcen zurückzugreifen bzw. diese zu bündeln und erklärt die Nutzung und/oder Einrichtung solcher konzernweiter Meldestellen für zulässig. Auch in diesem Zusammenhang ist es jedoch darauf Acht zu geben, dass die Verantwortung zur Verfolgung und Abstellung potentieller Verstöße beim jeweiligen lokalen Konzernunternehmen verbleibt. 

Diese Sichtweise wird von der EU-Kommission so bislang nicht geteilt. Diese vertritt die Auffassung, dass ein konzernweites Hinweisgebersystem den Anforderungen der Richtlinie nicht genügt und die jeweiligen Tochtergesellschaften nicht von der Verpflichtung entbinden kann, eigene interne Kanäle vorzuhalten. Aufgrund dieser divergierenden Ansichten des deutschen Gesetzgebers und des EU-Organs empfehlen wir, auch dann mögliche Alternativen zur Umsetzung zu prüfen, wenn ein einfacher Zugang zu bereits vorhandenen Ressourcen im Konzernverbund vorhanden ist. Eine eindeutige (und wohl notwendigerweise gerichtliche) Klärung dieser Auslegungsfrage bleibt vorerst abzuwarten.

Drohen Sanktionen, wenn keine interne Meldestelle eingeführt wird?

Die Nichteinrichtung interner Meldestellen entgegen gesetzlicher Verpflichtung ist bußgeldbewährt und kann als Ordnungswidrigkeit entsprechend geahndet werden; hierbei stehen Geldbußen von bis zu EUR 20.000,- zu befürchten.

Wird keine interne Meldestelle vorgehalten, so besteht zudem die Gefahr, dass sich Arbeitnehmer mit ihren Beobachtungen direkt an die Behörden wenden oder eine sog. Offenlegung in Betracht ziehen können. Insofern ist das Risiko von etwaigen Reputationsschäden und der Abfluss von Unternehmensinterna und ggf. sogar Geschäftsgeheimnissen nicht zu unterschätzen. Hieran zeigt sich, dass interne Meldekanäle im besten Unternehmensinteresse sind und ihre Einführung unbedingt erwogen werden sollte – auch unabhängig von der jeweiligen Unternehmensgröße.

Wie sehen die externen Meldestellen aus?

Das HinSchG sieht die Einrichtung einer zentralen externe Meldestelle beim Bundesamt für Justiz (BfJ) vor. Darüber hinaus bestehen spezielle Meldesysteme bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sowie beim Bundeskartellamt als weitere externe Meldestellen mit Sonderzuständigkeit. Fakultativ können auch bei den Ländern externe Meldestellen aufgebaut werden, an die sich Whistleblower wenden können, wenn die jeweilige Landesverwaltung und die jeweiligen Kommunalverwaltungen betroffen sind. 

Die externen Meldestellen betreiben ebenfalls Meldekanäle und sollen darüber hinaus potentielle Whistleblower mit umfassenden und unabhängigen Informationen und Beratung über bestehende Abhilfemöglichkeiten und Verfahren für den Schutz vor Repressalien versorgen.

Auch die externen Meldestellen bestätigen dem Whistleblower binnen sieben Tagen den Eingang der Meldung und informieren ihn spätestens nach drei bzw. sechs Monaten über eingeleitete Folgemaßnahmen.

Was meint "Offenlegung"?

Offenlegung bezeichnet das Zugänglichmachen von Informationen über Verstöße gegenüber der Öffentlichkeit - sprich in aller Regel der Gang zur Presse oder in die sozialen Netzwerke. Während der Whistleblower frei zwischen interner und externer Meldung wählen und sich dabei auf den Schutz des HinSchG berufen kann, schützt das Gesetz die Abgabe von Hinweisen an die Öffentlichkeit nur in wenigen, abschließend im Gesetz genannten Ausnahmefällen. Letztere greifen u.a. dann, wenn bei externer Meldung durch die eingeschalteten Behörden innerhalb des vorgesehenen Zeitrahmens keine geeigneten Maßnahmen ergriffen wurden, hinreichender Grund zur Annahme einer Gefährdung des öffentlichen Interesses oder Repressalien hier unmittelbar zu befürchten stehen. 

Wie sind Whistleblower geschützt?

Das Gesetz ordnet einen umfassenden Schutz des Whistleblowers vor "Repressalien" an, solange der Whistleblower hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass die von ihm gemeldeten oder offengelegten Informationen der Wahrheit entsprachen und der (vermeintliche) Verstoß ein vom HinSchG umfasstes Regelwerk betrifft. Repressalien sind Handlungen oder Unterlassungen im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit, die eine Reaktion auf eine Meldung oder eine Offenlegung sind und durch die dem Whistleblower ein ungerechtfertigter Nachteil entsteht oder entstehen kann. Umfasst ist damit alles von der Versetzung über die Auslassung bei einer Gehaltserhöhung oder Fortbildungsreise bis zur Abmahnung und Kündigung, aber etwa auch das Unterlassen einer entfristenden Weiterbeschäftigung.

Achtung: Das HinSchG ordnet eine Beweislastumkehr an, wonach eine Benachteiligung als Repressalie im Gesetzessinne gilt, wenn sie nur zeitlich nach einem Whistleblowing-Ereignis erfolgt. Der Arbeitgeber muss also beweisen, dass der Whistleblower aus anderen Gründen versetzt, nicht befördert, nicht entfristet etc. wurde.

Der Whistleblower hat zudem einen Anspruch auf Schadensersatz, wenn er mit Repressalien überzogen wird.

Bleibt die Identität des Whistleblowers anonym? Müssen anonyme Meldungen ermöglicht werden?

Zwar ist die Vertraulichkeit über die Identität des Whistleblowers (wie auch die Vertraulichkeit sonstiger im Bericht genannter Personen) im HinSchG umfassend geschützt. Dennoch sind interne wie auch externe Meldestellen ausdrücklich nicht verpflichtet, auch anonymen Meldungen nachzugehen. Stattdessen beschränkt sich das Gesetz darauf, dass auch anonym eingehende Meldungen bearbeitet werden „sollten“.

Da die Berücksichtigung auch anonymer interner Meldungen die Akzeptanz und das Vertrauen in das unternehmensinterne Hinweisgebersystem steigern kann, sollte dieser Schritt jedenfalls erwogen werden. Der Anreiz zur externen Meldungen wird eben umso geringer, je attraktiver die internen Meldekanäle gestaltet sind.

Welche Rolle kommt dem Betriebsrat zu?

Der Betriebsrat hat im Regelfall bei der Implementierung eines Hinweisgebersystems ein Mitbestimmungsrecht, d.h. dass das Hinweisgebersystem in der Regel nicht ohne die vorherige Zustimmung des Betriebsrates eingeführt werden darf. In Konzernen oder Unternehmensgruppen ist sorgsam die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrates, der Gesamtbetriebsräte und/oder der lokalen Betriebsräte zu prüfen und bei Zweifeln auf Delegationsbeschlüsse hinzuwirken. 

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